Laurence Fraissinet-Dubois, Senior Bankerin und stellvertretende Leiterin der UniCredit-Niederlassung in Paris, über die Unterstützung von Kunden während der Pandemie, die Bedeutung weiblicher Vorbilder und die Förderung von Vielfalt innerhalb einer Organisation.

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Wir setzen unsere Serie "Frauen in Führungspositionen" fort, um die Rolle, das Fachwissen und das Engagement einiger unserer weiblichen Führungskräfte in den verschiedenen Ländern und Geschäftsbereichen, in denen die Bank tätig ist, zu beleuchten.

Unsere sechste Interviewpartnerin ist Laurence Fraissinet-Dubois, Senior Bankerin und stellvertretende Leiterin der UniCredit-Niederlassung in Paris. In diesem Interview erzählt Laurence, die im September die Leitung übernehmen wird, wie UniCredit ihre französischen Kunden während der Pandemie unterstützt hat und warum Diversität eine Voraussetzung für kollaboratives Denken ist.

Wie ist die aktuelle Wirtschaftslage in Frankreich und wie reagieren die Unternehmen auf die Krise?

 

Wir kommen im Gleichschritt mit unseren europäischen Nachbarn aus der Krise, vor allem dank der von der französischen Regierung ergriffenen Maßnahmen, z. B. Minimierung der Arbeitslosigkeit und Bereitstellung staatlich garantierter Kredite. Französische Konzerne haben sich sehr flexibel auf die Situation eingestellt und haben in den meisten Sektoren wieder begonnen zu wachsen. Denn sie haben ihre Break-even-Kosten gesenkt und ihre Geschäftsmodelle mit einem klaren Schwerpunkt auf Digitalisierung und Innovation überarbeitet. Während unsere Kunden weiterhin vorsichtig bleiben, sind selektive Investitionen wieder angelaufen und werden neben dem nationalen französischen Investitionsplan durch EU-Mittel der nächsten Generation unterstützt. Die aktuellen OECD-Prognosen für die französische Wirtschaft sagen für dieses Jahr eine Wachstumsrate von ca. 6 % voraus, nachdem das BIP im Jahr 2020 sehr stark um 8 % gesunken war. Frankreich ist ein Land, in dem der Tourismus und die damit verbundenen wirtschaftlichen Dienstleistungen eine bedeutende Rolle spielen, und diese könnten im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren mehr Zeit benötigen, um auf das Niveau vor der Pandemie zurückzukehren, sofern es nicht zu einer ernsthaften vierten Welle kommt.

Könnten Sie uns erklären, welche Lösungen die Bank einführt, um FIG- und Firmenkunden in Bezug auf Finanzierung, Liquiditätsmanagement, Investitionen usw. zu unterstützen?

 

UniCredit France ist ein schlanker CIB-Hub, der sich in erster Linie auf sehr große französische Unternehmen und Finanzinstitutionen konzentriert, d.h. internationale Gruppen mit führenden Positionen in Frankreich, Europa und der ganzen Welt. Unsere Senior Banker bieten zusammen mit unseren erfahrenen Produktspezialisten Ad-hoc-Lösungen für die Bedürfnisse dieser Unternehmen auf Holding-Ebene an. Oder wir servicieren sie in Zusammenarbeit mit unseren verschiedenen lokalen Banken für deren Tochtergesellschaften in Italien, Deutschland, Österreich und in ganz CEE. 

Wir konzentrieren unsere Anstrengungen dort, wo wir einen klaren Wettbewerbsvorteil haben, und versuchen, daraus Kapital zu schlagen, indem wir die bestmöglichen Produkte und Dienstleistungen anbieten. Wir sind sehr aktiv in der Beratung, dem Underwriting oder der Strukturierung von öffentlichen oder privaten Finanzierungen unserer Kunden sowie in der Leitung ihrer Fremdkapitalmarktemissionen. 

In dieser Hinsicht haben wir während der ersten Welle der Pandemie stark unterstützt. Es war eine außergewöhnliche Gelegenheit für uns, insbesondere unseren Fokuskunden zu zeigen, wie wir sie in einem herausfordernden Umfeld unterstützen konnten, indem wir schnell zusätzliche Liquiditätslinien zusammenstellten, um die Auswirkungen der COVID-19-Krise abzumildern. Wir konnten sie auch auf der zweiten Etappe dieser Reise begleiten, als die gleichen Linien schnell auf den Anleihemärkten refinanziert wurden.

Generell ist UniCredit auf den Fremdkapitalmärkten mit französischen Konzernen sowohl auf der Unternehmens- als auch auf der FIG-Seite sehr erfolgreich und findet sich in den EUR-DCM-Ranglisten häufig an sechster Stelle hinter den vier französischen Großbanken und einem oder zwei der etabliertesten ausländischen Akteure wieder. Zunehmend sind wir auch bei ESG-bezogenen Finanzierungen präsent, was sowohl Teil unserer DNA als Bank als auch gleichzeitig ein sehr wichtiger Trend für unsere Kunden ist.

F: Wie sieht Ihr Ausblick für dieses Jahr aus?

2021 wird höchstwahrscheinlich ein Übergangsjahr für die Weltwirtschaft nach dem "annus horribilis" von 2020, das die positive wirtschaftliche Dynamik des Jahres 2019 erheblich gestört hat. Da Arbeiten aus dem Home Office Normalität wurde, mussten sich Unternehmen schnell auf digitale Kanäle einstellen und gleichzeitig ihre bestehenden Strategien überdenken. In diesem Zusammenhang spielte der Bankensektor eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Wirtschaft und des privaten Sektors; je nach Branche haben die M&A-Aktivitäten wieder begonnen, während sich die Rotation von Vermögenswerten in den Portfolios dank der erhöhten Liquidität im Markt ebenfalls beschleunigt. Wir gehen davon aus, dass wir 2022 zu den Wachstumstrends der Pre-COVID -Phase zurückkehren werden, mit einem Schub für längerfristige Investitionen, unterstützt durch europäische und nationale Fonds, insbesondere in den Bereichen Energiewende, Infrastruktur und Bildung.

F: Welchen Rat würden Sie als Frau in einer Führungsposition Frauen geben, die im Finanzsektor arbeiten? In Paris gibt es ein hohes Maß an Diversität innerhalb der Bank. Wie haben Sie es geschafft, ein solch großartiges Ergebnis zu erzielen, und welche Maßnahmen setzen Sie um, um dieses hohe Maß an Diversität auch in Zukunft zu erhalten?

Ich denke, Frauen sollten zuversichtlich sein, dass sie in jeder Branche erfolgreich sein können, und die Finanzdienstleistungen sind da keine Ausnahme! Obwohl es für eine Frau natürlich nie einfach ist, die individuellen Herausforderungen zu bewältigen, also Berufstätigkeit, Mutterrolle und Führungsposition unter einen Hut zu bringen. Dafür muss man sehr gut organisiert sein, aber es ist zunehmend möglich. Und ich denke, dass in Zukunft die besonderen Qualitäten der Frauen - Einfühlungsvermögen, kooperative Zusammenarbeit und unterschiedliche Denkweisen - der Schlüssel dafür sein werden, dass Organisationen erfolgreich und attraktiv für neue Mitarbeiter*innen sind. Wie immer im Leben muss man die richtigen Leute treffen und zur richtigen Zeit die richtigen Impulse nutzen, aber es gibt viele Möglichkeiten, und Frauen sollten sich nicht scheuen, sie zu ergreifen. Es gibt auch eine Reihe von beeindruckenden Vorbildern: Hätten Sie sich jemals vorstellen können, dass die Leiterin der EZB und die der EU-Kommission beide Frauen sind, während es gleichzeitig auch eine Reihe von mächtigen Frauen als Staatsoberhäupter gibt? Aber bei Diversity geht es nicht nur um Frauen, sondern auch darum, verschiedene Nationalitäten oder Profile zusammenzubringen, um Stereotypen zu durchbrechen und kollaboratives Denken zu fördern. Bei UniCredit Paris waren wir von Anfang an sehr offen für Vielfalt und werden in der gesamten Gruppe oft als Vorbild angesehen, da wir talentierten Menschen auf allen Ebenen Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Diese Geisteshaltung ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung und der Schlüssel für die Zukunft.

F: Können Sie uns mehr über Ihren beruflichen Werdegang und Ihre aktuelle Rolle berichten?

Im Einklang mit der UniCredit-DNA bin ich in meinem Arbeitsleben eine echte Europäerin. Ich begann meine Karriere bei der französischen Bank BNPP, wo ich in Paris und London im Bereich Kapitalmarkt-Origination für private und öffentliche Kreditnehmer arbeitete. Danach wechselte ich zur Deutschen Bank in Paris, wo ich mehr als dreizehn Jahre lang in verschiedenen Funktionen und Portfolios tätig war. Und zwar zu einer Zeit, in der sich die DB durch Übernahmen von Morgan Grenfell in Großbritannien und Bankers Trust in den USA wandelte, aber immer im Dienste großer französischer Konzerne stand, sowohl in der Beratung als auch bei allen Arten von einfachen oder komplexeren Finanzierungen. Nach meiner Zeit bei der Deutschen wechselte ich 2003 zu Barclays Capital, wo ich als Senior Banker an der Entwicklung des Corporate-Finance-Geschäfts in Frankreich beteiligt war und einen großen französischen Kundenstamm betreute, der sich hauptsächlich mit Kapitalmarktfinanzierungen und Hedging-Produkten befasste.

Vor einem Jahrzehnt kam ich zu UniCredit in Paris, als die Bank als schlanker Hub wiedereröffnet wurde, um die Gruppe zu repräsentieren und das Geschäft mit großen multinationalen französischen Kunden über unsere verschiedenen Produkte und Länder hinweg zu entwickeln und zu optimieren. Die Geschäftsentwicklung der Niederlassung, 2012 fast noch eine Art Start-up, war für mich eine aufregende und lohnende Erfahrung und zugleich eine Erfolgsgeschichte, die auf dem Ansatz "One Bank, One UniCredit" beruht.

Parallel dazu bin ich seit drei Jahren stellvertretender Country Head für Frankreich und werde bald die Verantwortung für die Leitung des 50-köpfigen UniCredit-Teams in Paris übernehmen.